seltene erden


seltene erden teil 1
1.1.2021 - 31.12.2021


mit freundlicher unterstützung von

 
 

logbuch

210101 as

ich lösche die 120 samples meines instruments. der sampler ist jetzt leer und offen. ich werde mir ein neues instrument bauen. die band wagt diesen schritt, um am nullpunkt zu starten, neuland zu betreten.

‘die band macht den arbeitsprozess zum thema. arbeitet ohne überbau von innen heraus ins offene.
welche klänge beeinflussen welche struktur und werden zum greifenden konzept. zu musik.’

ohne thematischen überbau zu starten, ohne konzept, quasi tastend und in zeitlupe, gefällt mir und passt zur jahreszeit, fällt mir aber gleichzeitig schwer. es hat etwas haltloses.

‘experiment arbeitsweise’. wie gehe ich vor, wenn ich mich nicht hinter einer vorlage verstecke.

210118 pr

Mich würde eine blinde Recherche interessieren. Spielen mit Klängen und Texten jenseits einer Absprache, um von innen heraus auf ein Thema stossen. Das Material wäre zuerst ganz subjektiv.

210120 pr

38 Klänge, winterlich leise, teils mit direktem Mikrofonieren im Flügel entstanden und aufgenommen, teils mit der eigenen Singstimme erzeugt. Ich gehe dem pianistisch Unmöglichen nach, das über das Klavier hinausweist. Die physische Präsenz der eigenen Stimme bringt den Körper ins Spiel und die Möglichkeiten seiner Vervielfachung.

2101212 pr

Bank A reiben B summen/singen C Stimmen D streichen F Punkte G Geschichten H kreisen

210213 as

aus dem vokal das vokabular
ich entscheide mich, von innen nach aussen zu arbeiten. phoneme sind klangliche ausganspunkte. von der phonemischen klangerzeugung möchte ich zu wörtern zu gelangen.

210215 as

konsistenz der wörter, konsitenz der klänge
wie klingt ein a, ein ast, ein elast
ich erinnere mich an mein stück ‘widerstandsvermögen gegen formänderung’, eine art etude über klangkonsistenzen und deren übergänge.
ich beginne die klanglichkeit eines vokals bis zu seiner unkenntlichkeit auszureizen.

gedehnte sprechstimmklänge, werden in mehrerenschritten/generationen verfremdet bis hin zum stottern in kürzestimpulsen. aus ein paar vokalen entsteht eine ganze welt.
an welchem punkt kippt das sprechen in eine vom menschlichen körper abgekoppelten sound?

210219 pr

Rohstoffe, Gesteinszusammensetzung, Spurenelemente Phonation, an der Lautbildung beteiligte Häute, Knochen, Muskeln

210308 pr

Bestandteile Kabel, Sampler, Rechner: Kunst-Stoffe, Metalle, seltene Erden Bestandteile Klavier: Wolle, Leder, Holz, Lack, Metalle

210319 as

aus meinen vokale-klangstudien bilde ich vokalisen, sich in zeitlupe wandelnde liegeklänge.
daraus erhoffe ich mir beinahe monochrome landschaften herzustellen, in die ich einzelne wörter setzen kann, welche sich an diese landschaften schmiegen oder darin wie erratische blöcke fremd und etwas störrisch hocken.

neben ihrer mich ansprechenden klanglichkeit beschreiben die ausgewählten wörter materialität.

knete, lehm, teig, zuckerwatte, wattrinne, schafwolle, wolkenformationen, flockig entweichendes.

 

210410 pr

Aus der Geste, der Klanglichkeit, dem Klangereignis definiert. Verwandtschaft von stimmlich und pianistisch, mit dem Klavier erzeugten Klängen.

zupfen, rupfen, reiben, streichen, streicheln, tupfen, klopfen, schlagen

210503 as

die klänge sind so, was ich habe für dich. und sind als auswahl gedacht. du kannst auch nur einen nehmen. auch beim text. es sind 6 passagen. jeder ausschnitt ist möglich oder auch gar nichts.

210515 konzert kunsthaus aussersihl - internationaler museumstag

petra ronner, solo

(sampler/stimme) mit leihklängen & -wörtern von annette schmucki

 

210528 konzert wasserkirche zürich - musikpodium der stadt zürich

band_annette schmucki & petra ronner (sampler/stimme) “seltene erden” videoloop “band cuts” (2013) von ernst thoma

210905 as

exkurs fundstücke
ich möchte gern viele klangklumpen verschiedenster dichte importieren, erratische blöcke, klangliche körperkosistenzen, eigens geformt für ensembles in unterschiedlichsten zusammenhängen. aber aus dem zusammenhang gerissen. fremdplatziert. schon dagewesen. ich schneide stundenlange aus stücken aus und stelle klangkonsistenzreihen her.

später verwerfe ich die idee. es sind zu heterogene räume. eigentlich ist es vielmehr eine studie über die räume der klumpen als über die klumpen selbst.

210926 pr

Höhlen sind Fundorte, Sinnbilder für räumliche und zeitliche Tiefe, für früheste Anfänge.

Hohlraum Bergwerk Erdstall Felsengrab Katakombe Wohnhöhle Souterrain Luftschutzstollen Munitionsstollen Kluftfugenhöhle Bruchfugenhöhle Schichtfugenhöhle Auswitterungshöhle Blasenhöhle Brandungshohlkehle Erosionshöhle Inkasionshöhle Korrosionshöhle Laughöhle Versturzhöhle Windhöhle Horizontalhöhle Trockenhöhle Wasserhöhle Karsthöhle Tuffhöhle Eishöhle Gletscherhöhle Lavahöhle Überdeckungshöhle Uferhöhle fossile Höhle Höhlenruine Halbhöhle Tropfsteinhöhle

210927 as

exkurs höhle&lichtung
mund und rachenraum. klangerzeugung. position der zunge. gaumensegel. öffnung.
die sprache als höhle und lichtung denken.

 

211029

 

seltene erden teil 2
1.3.2022 - 21.1.2023


mit freundlicher unterstützung von

 

220304 as

neue probenphase und planung von konzerten in basel, bern, biel, dübendorf, zürich im juni/juli 2022.

inzwischen habe ich meinem instrument einige ensembleklänge verschiedenster klangkonsistenzen hinzugefügt, quasi präformiertes material. in meinen textpool sind listen von wörtern der klangerzeugung gelangt, sowie eine wachsende und sich wandelnde sammlung von ‘schönen sätzen’. sätze, welche eine bestimmte klang- und bedeutungskonsistenz aufweisen.

 

220628 pj

peter jost schickt der band folgende eindrücke des dübendorfkonzerts.
danke, peter!

peter jost 

nun der Versuch einer Assoziation nachzuhängen, die vor zehn Tagen in einem Raum, nah an der Glatt, zwischen Ohr und Auge flimmerten, mehr geträumt als gedacht unter  der süsslichen Schwere eines späten Sommernachmittags:

- Seltene Erden; die singenden Erze, die lockende Tiefe, wo sie existieren, unsichtbar für uns Menschen und doch da, und wir können sie holen, nach ihnen graben, sie an den Tag bringen und verwenden, d. h., sie nutzbar machen, aus ihnen Qualitäten schöpfen, die bei ihnen unter sich allein in der «schauerlichen Höllentiefe» ( E. T. A. Hoffmann) nicht zur Geltung oder Entfaltung kamen. Die gebundene und verborgene Energie in ihnen. Und in der elektronischen Musik klingen sie mit, sie sind drin, sind gezähmtes, gerichtetes abgerichtetes Material in den Apparaten, den Computern, die die Klänge übermitteln, die Sampler, die sie vermischen, verändern und wieder hervorbringen.
Die Verführung, die .lockende Leidenschaft und am Ende die Verderbnis, wenn man sich an der Erde versündigt und damit auch an den Metallen – wenn man ihnen verfällt und sie alles von einem abverlangen, Leib und Leben, Herz und Seele: All die Sagen und romantischen Erzählungen über die Verbindungen zwischen Mensch und Erzen-.
E.T.A. Hoffmanns «die Bergwerke von Falun» aus den Serapionsbrüdern. Oder Ibsens Borkmann, das kalte Herz und die teuflische Leidenschaft, funkelnde Schätze und fahle Schatten, die tellurischen Früchte, Gaias Welt, die von den späteren Christen so verteufelte.
Edelmetalle – sind sie da, waren da, lange vor uns, gebildet in Millionen von Jahren und geben dem menschlichen Intellekt, seiner Neugier, seiner Unzufriedenheit und Ruhelosigkeit ihr inneres Leben preis, Menschen bringen sie zum Klingen und verschmutzen mit ihrer Ausbeutung die Erde; bis die Erze ‘klingen`, braucht es viel Gift, viele Sprengungen, viele Tode und Verwüstungen.

Edelmetalle – in der Schule die Tafel mit dem Periodensystem. Weit aussen – rechts aussen – waren die Edelmetalle. Sie, die sich mit keinem anderen Elementen verbanden. weil sie, chemisch gesprochen, gesättigt waren, sie brauchten nichts anderes mehr, ihr Hunger war gestillt, stabil waren sie darum, niedrig ihre Entropie, also wenig Chaos in ihnen, zuverlässig, verwandeln sich nur in Zeitdimensionen, die jenseits unserer Vorstellungen sind, verwandeln nur die, die sie begehren. Ihre Existenz, die Tatsache, sie hervorzuholen aus den Höhlen ihre Millionen von Jahren dauernden Geborenwerdens, macht sie zu Schauplätzen kurzer Begierden.

Über euren Klängen schwebte für mich manchmal ein brüderlicher oder schwesterlicher Geist, eine neckische Utopie, die Versöhnung zwischen einem unschuldigen menschlichen Interesse und der  Verschwiegenheit der in der Tiefe ruhenden Elemente. Ich will nicht sagen, dass wenn wir Menschen sie zum Sprechen oder gar zum Singen bringen, sie uns dafür auch verstehen. Und von Verständnis möchte ich schon gar nicht reden.

230101 as

es kommen rauschklänge von maschinen, es kommen listen von namen und gegenständen und ortschaften hinzu. text- und klangmaterial werden konkreter. es ist ein balanceakt. musik und aussage zusammenzufügen.

230115 as und pr

©regula spörri